Kein „Weiter so“ nach Wirecard – Union setzt neues System der Finanzaufsicht und Bilanzkontrolle durch
Die Koalitionsfraktionen haben im parlamentarischen Verfahren zum Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) eine Einigung erzielt. Dazu erklären der rechts- und verbraucherpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Jan-Marco Luczak, und der aus rechtspolitischer Sicht zuständige Berichterstatter Prof. Dr. Heribert Hirte:
Jan-Marco Luczak: „Der Fall Wirecard hat schwere Mängel in der deutschen Finanz- und Geldwäscheaufsicht offenbart, die unter der Aufsicht von Bundesfinanzminister Olaf Scholz steht. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist ein funktionierender und zuverlässiger Finanzmarkt aber essentiell. Ein ‚Weiter so‘ darf es daher nach dem Fall ‚Wirecard‘ nicht geben. Die Finanzaufsicht muss gestärkt und verlorenes Vertrauen so rasch wie möglich zurückgewonnen werden.
Die von der SPD vorgelegten Pläne für eine ‚Finanzaufsicht mit Biss‘ entpuppten sich beim genaueren Hinsehen allerdings als zahnloser Tiger und gingen uns nicht weit genug. Mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetzes (FISG) haben wir als Union nunmehr eine grundlegende Reform der deutschen Finanz- und Kapitalmarktaufsicht durchgesetzt. Der 2004 von der rot-grünen Bundesregierung eingeführte Deutsche Sonderweg mit einem zweistufigen Enforcement-Verfahren – über eine privatrechtlich organisierte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) sowie eine staatlichen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – wird endlich abgeschafft. Der Fall Wirecard hatte die Dysfunktionalität dieses Systems auf erschreckende Weise offenbart.
In den zum Teil sehr zähen Verhandlungen mit unserem Koalitionspartner konnten wir durchsetzen, dass künftig besonders hohe Qualitätsanforderungen an die Fachkompetenz der Mitarbeiter gestellt werden und die Mitarbeiter der DPR in die BaFin überführt werden. Gleichzeitig sichern wir der BaFin Einsichtsrecht in alte Akten der DPR zu, um auch zukünftig Finanz- und Bilanzskandale ohne Einschränkung aufklären zu können. Zudem wird im Bereich der Abschlussprüfung die interne Prüferrotation bei der Prüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse auf fünf Jahre reduziert.
Dank der Union ist aus dem zahnlosen Tiger jetzt ein scharfes Schwert im Kampf um die Wiederherstellung des Vertrauens in den deutschen Finanzmarkt geworden.“
Heribert Hirte: „Spätestens der Wirecard-Skandal hat uns allen vorgeführt, dass ein komplexes und teures System der Selbstverwaltung und -kontrolle nicht funktioniert hat. Die DPR hat die in sie gesetzten Erwartungen aufgrund personeller und organisatorischer Schwächen nicht erfüllt. Die Permanentprüfung hat Kosten ausgelöst, die in keinem Verhältnis zum Mehrwert der Prüfung liegen. Das Ende der Zusammenarbeit mit der DPR ist daher nur folgerichtig. Insbesondere notwendig wurde dieser Schritt, da das Finanzministerium und das Bundesjustizministerium ihren Aufsichtspflichten nicht ausreichend nachgekommen sind. Die Interessenkonflikte des DPR-Vorsitzenden Ernst durch seine zahlreichen Aufsichtsratsmandate hätten frühzeitig erkannt werden müssen, wie sie sich im Untersuchungsausschuss Wirecard gezeigt hatten.
Im Bereich der Wirtschaftsprüferhaftung haben wir einen praxisnahen Kompromiss gefunden, der zum einen umsetzbar ist, aber dennoch die Wirtschaftsprüfer mehr in die Verantwortung nimmt. Dafür erhöhen wir die Haftungshöchstgrenzen bei ‚einfacher Fahrlässigkeit‘ und staffeln sie auch bei ‚grober Fahrlässigkeit‘ nach der Größe der Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Auf diese Weise spiegeln sich Chance und Risiko einer Prüfung besser in den möglichen Haftungssummen wider als bisher. Dadurch unterstützen wir auch kleinere und mittlere Wirtschaftsprüfungsunternehmen und wirken einer weiteren Marktkonzentration auf dem Wirtschaftsprüfermarkt entgegen, wie es der Regierungsentwurf befürchten ließ. Für die kommenden Jahre bleibt im Bereich der Wirtschaftsprüfung allerdings weiter viel zu tun. Ein transparentes und modern kontrolliertes Aufsichtssystem ist im Interesse des deutschen Kapitalmarktes, es ist im Interesse der Aktienkultur und von Kleinanlegern, es ist im Sinne der Steuerzahler und damit letztendlich auch im Sinne des sozialen Zusammenhaltes. Politik und Wissenschaft werden die Umsetzung des neuen Verfahrens der Bilanzkontrolle, aber auch die neuen Instrumente der Corporate Governance, in der Praxis kritisch begleiten.“