Missbräuchlichem Einsatz des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs entgegenwirken
Vor dem Hintergrund wiederholter Meldungen aus der Wirtschaft, dass durch den massenhaften Aufkauf von Patenten und den gezielten Einsatz entsprechender Unterlassungsansprüche ganze Produktionsreihen in der Industrie zum Erliegen gebracht werden, läuft in Rechtspraxis und Rechtspolitik die Diskussion darüber, auf welche Weise dieser Praxis begegnet werden kann. Dazu erklären die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker und der zuständige Berichterstatter Ingmar Jung:
Elisabeth Winkelmeier-Becker: „Der Schutz des geistigen Eigentums ist für die Union traditionell von hohem Stellenwert. Gerade auf Basis der Kreativität und Innovation, die urheberrechtlich geschützten Werken, Geschmacksmustern oder auch Patenten zu Grunde liegen, sind deutsche Unternehmen weltweit erfolgreich.
Wenn Patente in großen Mengen aufgekauft werden, um die Unternehmen mit dem Stopp ihrer Produktionsprozesse zu bedrohen, dann ist das ein Missbrauch, den wir abstellen müssen. Zwar müssen Unternehmen auch bei komplexen Fertigungsprozessen alle Anstrengungen unternehmen, Patentrechte zu klären und Lizenzen zu erwerben. Wo dies in der Praxis jedoch nicht möglich ist, müssen sie stärker geschützt werden. Gerade eingetragene Patente bei Software und Telekommunikation stellen sich am Ende oft als unberechtigt heraus. Das muss schnell und rechtssicher geklärt werden.
Die Bundesjustizministerin muss zügig handeln und einen Vorschlag unterbreiten, wie sie dem Missbrauch des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs wirksam begegnen will. Wir müssen mit einer zielgerichteten Novellierung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs dafür sorgen, dass deutschen Unternehmen im internationalen Wettbewerb kein andauernder Standortnachteil entsteht.“
Ingmar Jung: „Unternehmen stehen vor einer unlösbaren Aufgabe: Trotz gewissenhafter Prüfung ihrer Lieferanten und ihrer Fertigungskette können sie nicht mehr ausschließen, dass es zu patentrechtlichen Verletzungen kommt. Das liegt an der mittlerweile hohen Komplexität des Wirtschaftslebens. Welche Patente in einem für ein Auto zugekauftem Halbleiter verbaut sind, ist oft schlicht nicht zu ermitteln. Gleichzeitig gibt der § 139 PatG dem (vermeintlichen) Patentinhaber einen unbeschränkten Unterlassungsanspruch. Das Auto kann dann möglicherweise nicht mehr verkauft werden, weil in dem Halbleiter ein Patent steckt, das für das Auto unbedeutend ist.
Dieses Drohpotential haben auch Unternehmen und Fonds erkannt. Sogenannte Patenttrolle kaufen gezielt Patente auf, um dann hohe Forderungen gegen Unternehmen geltend zu machen. Dieses Verhalten dient weder dem Wirtschaftsleben, noch dem Verbraucherschutz, noch ist es marktdisziplinierend. Vielmehr verunsichert das den Markt und gefährdet daher den Wirtschaftsstandort Deutschland. Daher brauchen wir hier eine wertungsgerechte Lösung. Ein möglicher Ansatz könnte zum Beispiel eine Art Verhältnismäßigkeitsprüfung iRd § 139 PatG sein.
Auch Änderungen im Prozessrecht erscheinen sinnvoll. Nichtigkeitsentscheidungen beim Bundespatentgericht dauern oft länger als Verletzungsverfahren nach dem § 139 PatG. Hohe wirtschaftliche Schäden entstehen, obwohl Patente häufig später für nichtig erklärt werden. Eine Synchronisation der Verfahren könnte hier schneller Rechtssicherheit schaffen.“
Hintergrund
Der patentrechtliche Unterlassungsanspruch nach § 139 PatG sieht in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung weder eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, noch wird in einem gerichtlichen Verletzungsverfahren vor dem Landgericht Rücksicht auf die oft langwierigeren Verfahren vor dem Bundespatentgericht genommen, in denen der Bestand des jeweiligen Patents geprüft wird. Gerade mit Bezug auf standardessenzielle Patente ist eine Zunahme des gezielten Einsatzes des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu Lasten produzierender Unternehmen zu beobachten.