Entlastung des Bundesgerichtshofs und Spezialisierung der Zivilgerichte steigert die Qualität der Rechtsprechung
Am heutigen Donnerstag verabschiedet der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften. Dazu erklären die rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker und der zuständige Berichterstatter Volker Ullrich:
Elisabeth Winkelmeier-Becker: „Die Entfristung der Wertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerden in Zivilsachen führt dazu, dass der Zugang zum Bundesgerichtshof weiterhin sachgerecht gewährleistet wird. Vor einer Revision durch den Bundesgerichtshof haben sich bereits zwei Instanzen mit der Sache beschäftigt. Es ist angemessen, die Revision von der grundsätzlichen Bedeutung der Sache oder einer Wertgrenze abhängig zu machen. Würde die Wertgrenze entfallen, würden am Bundesgerichtshof dauerhaft 120 zusätzliche Richterstellen benötigt werden. Außerdem setzt das Gesetz in sehr guter Weise an vielen weiteren Stellschrauben des Zivilprozesses an. Der Ausbau der Spezialisierung der Land- und Oberlandesgerichte wird die Qualität der Rechtsprechung an diesen Gerichten erhöhen. Richter brauchen vielfach neben Kenntnissen des Prozessrechts und des materiellen Rechts ein weitgehendes Verständnis für die zu beurteilenden Sachverhalte sowie für die damit verbundenen fachlichen Fragen. Mit einem besseren und effizienteren Zivilverfahren im Sinne der Bürger löst die Koalition einen weiteren Teil des Paktes für den Rechtsstaat ein. Dies ist ein wichtiges Anliegen der Union.“
Volker Ullrich: „Wir schreiben die Wertgrenze dauerhaft fest. Die Funktionstüchtigkeit des Bundesgerichtshofs bleibt erhalten. Bereits seit dem Jahr 2002 besteht eine fortlaufende Befristung der Wertgrenze. Andernfalls würde ein Wegfall der Wertgrenze eine Überlastung des Bundesgerichtshofs bis zur Arbeitsunfähigkeit bedeuten. Die Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz ergab, dass es keine Alternative zur Wertgrenze gibt. Damit garantieren wir einen effektiven Rechtsstaat. Der Zugang zum Recht wird auch nicht rechtsstaatswidrig beschränkt. Aufgabe des Bundesgerichtshofs ist die Klärung von Rechtsfragen mit grundsätzlicher Bedeutung. So können auch Streitigkeiten um die Bankgebühr von 19,50 Euro, den Handyvertrag oder den Stromtarif vom Bundesgerichtshof geklärt werden. Für die anderen Fälle steht mit den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten in den Bundesländern eine effektive Justiz zur Verfügung.“
Hintergrund
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ein Rechtsbehelf gegen die Nichtzulassung der Revision. In Zivilsachen ist der Zugang zum Bundesgerichtshof durch die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht möglich. Als Zulassungsvoraussetzung zählt § 543 Absatz 2 BGB die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Notwendigkeit der Fortbildung des Rechts oder die Gewährleistung einer einheitlichen Rechtsprechung auf. Das erfolgt völlig unabhängig vom Streitwert. Wird die Revision nicht zugelassen, so kann gleichwohl eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden. Der Bundesgerichtshof prüft anschließend, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen der Zulassung verkannt hat. In diesen Fällen hat der Streitwert eine Relevanz, da die Nichtzulassungsbeschwerde an die Bedingung einer Beschwer von über 20.000 Euro anknüpft. Ferner wird der Katalog der obligatorischen Spezialspruchkörper an Land- und Oberlandesgerichten erweitert. Die Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften soll die Effizienz des Zivilprozesses steigern.